Innerhalb der letzten zwei Jahre ist immer wieder über die Veränderung in der Interaktion zwischen Verbrauchern und Unternehmen geschrieben worden. Es geht um eine Veränderung in der Kommunikation, dem Anspruch(denken) und der neu entstandenen Dynamik auf beiden Seiten. Gleichzeitig herrscht aber immer noch deutlich erkennbares Unverständnis auf eben diesen beiden Seiten. Damit wird sich dieser Artikel beschäftigen, in der Hoffnung ein wenig mehr Klarheit zu schaffen.
Der Vollständigkeit halber ein schneller Rückblick. Wie ist das klassische Bild geprägt (gewesen)?
Ein kurzer Rückblick
Es gibt Unternehmen, die Produkte verkaufen und es gibt Verbraucher, die die angebotenen Waren erwerben. Soweit, so gut.
Im alten Bild war es nun Aufgabe des Unternehmens den potentiellen Verbraucher auf die Verfügbarkeit eben dieser Produkte aufmerksam zu machen. Dies geschah und geschieht übrigens heute noch über Werbung. Die für die Werbung zuständigen Fachleute in den jeweiligen Unternehmen, versuchen mit mehr oder weniger zielgerichteter Verbraucheransprache die Kauflust zu schüren. Das klappt auch meistens ganz gut, aber eben nicht immer und in zunehmendem Maße immer weniger. Warum?
Nun, genau die Frage nach dem Warum bringt uns möglicherweise der Antwort näher.
Was hat sich verändert
Der einst zumeist als Individuum vorkommende Verbraucher hat sich über die letzten Jahre zu Kollektiven von Gleichgesinnten zusammen gefunden. Es haben sich Verbrauchergruppen gebildet, die modernste Technologien wie Social Media, BLOGs und andere Mittel auf ihren Smartphones nutzen, um sich im Vorfeld des Einkaufs über die Relevanz des im Fokus stehenden Produktes zu informieren.
Einfacher gesagt, man tauscht sich vor dem Kauf eines Produktes über dessen Eigenschaften, ja wichtiger noch, über die mit diesem Produkt gemachten Erfahrungen (UX*) aus. *UX steht hierbei als Kurzfassung für User Experience, also die (Selbst)Erfahrung die jemand über die Nutzung des Produkts macht.
Werbung hin oder her, wenn das Nutzungserlebnis nicht der Werbung entspricht, verkehrt sich der Werbeeffekt ins Negative und die zugehörige Marke (Brand) leidet darunter – es gibt Minuspunkte.
Der interessierten Leser sei an dieser Stelle auf einige Alt-Artikel verwiesen:
- Der 5-Punkte-Plan für die digitale Transformation
- Ist Ihr Unternehmen überhaupt noch relevant?
- Unternehmen im digitalen Wandel: Aufwachen oder untergehen!
- Kundengewinnung 2.0: ZMOT oder der Nullte Augenblick der Wahrheit
Digitale Transformation
Was ist mit diesem Begriff gemeint und worauf ist zu achten? Zunächst lässt sich schon aus der bestehenden Wortkombination wesentliches ableiten. Die Transformation steht für notwendige Veränderungen, welche dazu kommen wir in Kürze. Das Wort Digital hilft uns als Wegweiser, wenn es um das Verstehen der Ursachen und gleichzeitig der Hilfsmittel für die Heilung geht.
Ein wenig lässt sich all dies mit dem Biss einer Schlange und dem darüber injizierten Schlangengift vergleichen. Dieses kann in geringer Dosierung als Gegengift eingesetzt werden und helfen. Die Anwendung muss aber verstanden werden und das Antidot muss sinnvoll dosiert sein.
Hier also nun die Komponenten der Digitalen Transformation
- Der Verbraucher, als medienaffines und im Kollektiv organisiertes Individuum.
- Das Unternehmen und in zunehmendem Maße die Marke (Brand), mit all seinen kommerziellen Prozessen, spezialisierten Abteilungen und Fachleuten.
- Produkte, die Abnehmer suchen, ein hohes Maß an positiver UX auslösen sollen und die auch nach dem Abverkauf zu betreuen sind.
- Digitale Medien und generell Hochtechnologie, als universelle Schnittstelle zwischen Individuum, Kollektiv, Unternehmen, Marke und Produkt.
- komplexe Prozesse und Kommunikationsabläufe, die mit zunehmender Bedeutung eine hohe Integration verlangen, aber zuvor inhaltlich verstanden werden müssen. Insbesondere im Hinblick auf die möglichen Auswirkungen.—
Gehen wir die Liste noch einmal gemeinsam durch.
- über den Verbraucher haben wir bereits gesprochen. Dieser sucht in der Regel nach der optimalen Lösung auf eine persönliche Fragestellung. Die Antwort muss relevant für ihn und im Bezug auf seine Frage sein. Der Kontext ist die persönliche Fragestellung. Der Zusammenschluss zu Gruppen hat sich hierbei über die letzten Jahre als sehr hilfreich in der Beantwortung von relevanten Fragen für den einzelnen Verbraucher herausgestellt. Eben weil die Unternehmen es weitestgehend versäumt hatten relevante Antworten zu offerieren.
- Unternehmen produzieren, und vertreiben Produkte an ständig dynamischer werdenden Märkten.
- Produkte, das Unternehmen und letztlich die Marke (Brand) verschmelzen zunehmend zur ausschliesslich wahrgenommenen Marke selbst, und der damit verbundenen UX.
- Hochtechnologie wie Smartphones und Tablets, und hoch effiziente Suchalgorithmen, eingebettet in BLOG, Foren und andere Social Media Seiten, erlauben die extrem schnelle Sammlung und Kommunikation von Fakten und Erfahrungen unter den Nutzern. Niemand ist mehr mit seinem Problem nur noch auf die vagen Aussagen der Hersteller und deren Marketing angewiesen. Die Fakten sprechen lange vorher für sich. Oder eben auch nicht.
- die meisten Unternehmen offerieren ihre Produkte nach wie vor eher auf den klassischen Wegen, über Marketingmaßnahmen. In einzelnen Fällen versteht man aber allmählich, dass es mehr Nachhaltigkeit im Tun benötigt, um die mit dem Produkt verbundene Marke im positiven Bewusstsein der Verbraucher zu etablieren. Was immer noch nicht umfänglich genug verstanden ist, ist die Notwendigkeit der Abstimmung und Integration zwischen den kommerziellen Bereichen über geeignete Prozesse. Marketing allein mag die Nachfrage positive erhöhen, was aber wenn diese Nachfrage nicht befriedigt werden kann, da das beworbene Produkt nicht vorrätig ist? Was wenn das Produkt, bedingt durch überhastete Fertigung von schlechter Qualität ist und eine negative UX erzeugt. Kommt dann noch fehlende oder suboptimale Aussenkommunikation („… da können wir Ihnen leider auch nicht weiter helfen…“) hinzu, ist der nächste Shitstorm bereits organisiert.
Was ist also zu tun?
Im Hinblick auf die kommerziellen Prozesse etablieren Unternehmen seit Jahren Konzepte wie *IBP oder *S&OP, in der Hoffnung damit effizienter zu werden. Leider zeigt aber die Erfahrung, dass immer noch zu wenig auf die neu hinzugekommenen, äusseren Komponenten geachtet wird. Der Einfluss der Verbraucherkollektive wird in den inneren Prozessen nicht aktiv abgedeckt und integriert. Auch sind die kommunikativen Bereiche nicht wirklich aktiv mit den kommerziellen verbunden. Kommunikation ist heute weit mehr als Marketing und PR. Richtig eingesetzt kann und ist sie ein wesentlicher Hebel in der Steuerung und Planung. Allein verstanden muss all dies sein. Ich werde speziell dieses Thema in einem Folgeartikel noch einmal ausführlicher betrachten.
*IBP steht übrigens für Integrated Business Planning, *S&OP für Sales and Operations Planning, beide meinen häufig dasselbe.
Fassen wir zusammen
Für Unternehmen gilt: Tue was Du sagst und sag was Du tust.
Richtig kommuniziert, zum nachhaltigen Dialog bereit und mit intern klar integrierten Prozessen gestützt, werden Produkte erfolgreich beim Verbraucher etabliert, es kommt zu positiver UX und Wachstum der Marke (der Brand).
Für Verbraucher gilt: Kenne und nutze die zur Verfügung stehenden Werkzeuge gezielt und in konstruktiver Weise. So entsteht Klarheit über die eigene Fragestellung und Wunschlösung und dies auch bei möglichen Lösungsanbietern. Darüber hinaus bieten die vorhandenen Möglichkeiten (Social Media, BLOG, Foren und andere) gute Möglichkeit auf Schwächen oder Betrug aufmerksam zu machen und Veränderung zu erwirken.
Allerdings gilt auch hier auf die ausgewogenen Mischung zu achten und konstruktiv zu bleiben. Denn irgendwie sitzen wir ja am Ende alle im selben Boot.
Der Autor: Dirk Liebich ist Managing Director und Gründer von Digital Tempus. Digital Tempus betreut mit Standorten in den USA und in Europa weltweit agierende Unternehmen und Konzerne in der Vertriebs- und Operationsplanung.
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