Von Menschen in Aufzügen …

Gasometer Oberhausen

… und was wir daraus für die Unternehmenssteuerung lernen können

Vor einigen Tagen habe ich im Zusammenhang mit einer Christo-Ausstellung (im Gasometer in Oberhausen, Deutschland) eine interessante Erfahrung gemacht. Hier die Details meiner Beobachtungen und eine kurze Reflektion meinerseits. Bitte lassen Sie sich zunächst auf den ausführlichen Bericht ein, denn von diesem Erlebnis aus dem richtigen Leben lässt sich einiges für die Unternehmenssteuerung ableiten.

Zuerst ein paar Fakten:

  • Der Aufzug im Gasometer hat eine Kapazität von 20 Personen.
  • Der Aufzug fährt bis in die 10. Etage, auf 100 Meter.
  • Die Tür des Aufzuges schließt sich nach einiger Zeit automatisch.
  • Ohne zeitnahe Auswahl eines Stockwerkes öffnet sich die Tür automatisch wieder.
  • Der Aufzug fährt los, nachdem das Stockwerk über den Schalter in der Wand ausgewählt wurde.

Nichts besonderes, oder? Nein?

Nun, dann hier mein kleine Geschichte:

Wir, das sind zum Zeitpunkt meines Besuchs etwa 100 interessierte Besucher, wollen in den zehnten Stock, auf etwa 100 Meter, um den „Big Air Package“ in seiner ganzen Schönheit von oben zu betrachten. Hierzu müssen wir den oben beschriebenen Aufzug benutzen. Da selbiger aber eben nur 20 Personen pro Tour aufnehmen kann, entsteht schnell eine kleine Schlange. Nicht schlimm, es ist ja Sonntag und bei 20 Personen pro Fahrt sind ja nur vier Fahrten abzuwarten.

Aber Moment, was passiert hier? Warum stockt der Fluss? Die Rechnung geht nicht auf! Interessant! Man lernt doch nie aus!

Denn das Folgende geschieht – und genau das führt dazu, dass sich die Rechnung als Fehleinschätzung erweist:

  • Es fahren nicht nur Menschen hoch, sondern natürlich kommen auch Menschen wieder herunter.
  • Nicht jede Tour nach oben oder unten führt zu 20 neuen Plätzen. Einige Gäste fahren zum Ärger der anderen hinauf und sofort wieder herunter, oder herunter und sofort wieder hinauf. So war das aber nicht gedacht!?
  • Es kommt noch besser: Zwischendurch ist ein vollständig leerer Lift zu beobachten. (Zur Erinnerung: 20 Plätze!)
  • Zunächst zügig, fast hastig und ein wenig drängend, dann langsamer werdend, steigen am Ende nur 17 Menschen ein. Das, obwohl noch ausreichend Platz im Lift ist. Offenkundig kommen diejenigen, die den Aufzug entworfen haben, und die, die diesen benutzen, aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Will sagen: Man rückt einander nicht gerne zu nah auf die Pelle.
  • Das Beste aber kommt jetzt: Die Tür schließt und geht zur allgemeinen Verwunderung wieder auf und schließt wieder und geht wieder auf … Vermutlich wäre dies auch so weitergegangen, wenn wir, die in der Schlange Verbliebenen, nicht interveniert und die Taste 10 für den entsprechenden Aufwärtstrendgedrückt hätten.

Denn am Ende fühlte sich keiner der eingestiegenen Gäste verantwortlich, oder brachte den Mut auf, den Aufzug in seiner Funktion auch zu nutzen. Keiner fühlte sich im Stande oder in der Lage eine Entscheidung für die Gruppe zu treffen. Letztere wurde am Ende durch diejenigen getroffen und forciert, die Bedarf sahen: diejenigen, die draußen geblieben waren!

Wenn das keine Fragen aufwirft!

War es bloss der normale Sonntagsstumpfsinn? Oder handelte es sich um eine kulturell bedingte Hemmung,  für andere zu entscheiden? Warum drängt jemand unter Aufbringung seiner Physis in den Aufzug, um diesen dann nicht in Bewegung zu setzen? Hauptsache man ist im Boot, fahren kann man immer noch?

Abgesehen davon, dass alle diese Aspekte menschlicher Verhaltensweisen schon für sich betrachtet ziemlich interessant sind: Sie sind – in viel größerem Umfang, aber oft viel weniger offensichtlich – in Unternehmen zu beobachten.  Und zwar vor allem im Zusammenhang mit der Umsetzung von neuen Projekten oder der Einführung von neuen Prozessen. Immer dann, also wenn es voran- oder, bildlich gesprochen, eigentlich aufwärts gehen sollte.

Was häufig fehlt, ist nur ein wenig Initiative sowie der Wille zu kommunizieren, verbunden mit der aktiven Wahrnehmung für das, was tatsächlich geschieht. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Nachsatz: Erstaunlicherweise waren es die anwesenden Kinder, die weder Probleme mit Nähe hatten, noch entscheidungsscheu waren. Wäre es nach diesen gegangen, hätte es vermutlich die doppelte Anzahl von Personen in der halben Zeit nach oben geschafft! Könnten wir von deren unvoreingenommenem, von Normen wenig verbautem Blick auf die Dinge nicht ebenfalls für die Unternehmenssteuerung lernen?

Der Autor: Dirk Liebich ist Managing Director und Gründer von Digital Tempus. Digital Tempus betreut mit Standorten in den USA und in Europa weltweit agierende Unternehmen und Konzerne in der Vertriebs- und Operationsplanung.

Kontakt: magazin@digitaltempus.comwww.digitaltempus.de

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