oder: Überlebensstrategien aus der Integrierten Unternehmensplanung
Wir leben in erstaunlichen Zeiten. Die Welt ist einmal mehr im Wandel. Ein gesellschaftlicher Wandel, diesmal jedoch beschleunigt durch Technologie. Aus fühlbarer Schnelligkeit wurde NULLZEIT. Informationen machen diejenigen omnipotent, die darüber verfügen. Jene, die ohne Informationen auskommen müssen, bleiben zurück. Die Folgen sind weitreichender denn je, denn das potentielle Ausmaß von Entscheidungen ist heute fast immer global. So verstärken sich auch die Auswirkungen von Fehlentscheidungen um ein Vielfaches. Damit hat sich der Erfolgsdruck auf jeden Einzelnen von uns in einem Maße erhöht, dass Hilfestellung für Mitarbeiter und für Entscheider dringend notwendig scheint. Kann dies die Personalentwicklung (PE) leisten? Wenn ja: wie?
Dieser Artikel betrachtet den Bereich Personalentwicklung (PE) und dessen grundsätzliche Verknüpfung mit den kommerziellen Planungsprozessen in Unternehmen. Wir zeigen auf, welche dramatischen Auswirkungen die derzeitigen Veränderungen, unter denen alle Beteiligten der kommerziellen Prozesse leiden, auch im Bereich PE haben.
Was ist Personalentwicklung (PE)?
Ziel der Personalentwicklung ist es laut Wikipedia „… Menschen, Teams und Organisationen dazu zu befähigen, ihre Aufgaben in betrieblichen Arbeitssystemen erfolgreich und effizient zu bewältigen …“. Soweit, so kurz. Darüber hinaus gibt es reichlich Literatur zum Thema Personalentwicklung und Personalorganisation. Unter diesem Beitrag finden Sie ein ausführliches Literaturverzeichnis.
Quelle: Wikipedia
Große Herausforderungen für den modernen Mitarbeiter
Der moderne Unternehmensmitarbeiter ist in zunehmendem Maße der Hochtechnologie (Planungssysteme, CRM-Systeme, Kommunikationssysteme …), komplexen Prozessen (Absatzplanung, Beschaffungsplanung, Transportlogistik, Personalplanung …) und einer ultra-schnellen Multi-Kanal–Kommunikation ausgesetzt.
Zwar kann man Technologie und Prozesse weiterhin über gezielte Schulungen leidlich vermitteln. Doch die eigentliche Belastung besteht im Dauerfeuer der stattfindenden Kommunikation sowie in der Notwendigkeit, immer schneller weitreichende Entscheidungen zu treffen. Nicht ohne Grund finden wir in zunehmenden Maße Belastungsstörungen (Burn-Out) in unserer Arbeitswelt vor, entscheiden sich einstige Leistungsträger für einen anderen, weniger stressigen Karrierepfad.
Der Pulsschlag unseres Lebens hat sich enorm erhöht, gleichzeitig ist die Welt zusammengerückt. Angebot und Nachfrage werden nicht mehr nur in lokalen Märkten verhandelt, sondern weltweit und das 24/7.
Praxisbeispiel: So stiehlt sich PE aus der Verantwortung
Der Sachbearbeiter Schmidt, verantwortlich für die Absatzplanung der Produkte P1 – P250 an den Märkten EMEA, hat in den letzten sechs Monaten einen gravierenden Planungsfehler verursacht. Die Auswirkungen für das Unternehmen sind ein dramatischer Anstieg von Lagerhaltungskosten für die fehlgeplanten Produkte. Dadurch entstehen erhebliche Folgekosten für das teilweise notwendige Produktrecycling, gefolgt von einem Margen-mindernden Preisverfall durch Überkapazität in den genannten Regionen.
„Was hat PE damit zu tun“, fragen Sie? „Damit kenne ich mich nicht aus“, ist Ihre Antwort? DAS ist Arbeit von Spezialisten?
Schön, wenn man sich so einfach aus der Verantwortung nehmen kann, oder nicht?
Was, wenn Ihr Grundverständnis für die großen Zusammenhänge im Unternehmen ein wenig besser ausgeprägt gewesen wäre? Wenn Ihr persönliches Interesse und Ihre Fähigkeit, vorhandene Technologie zu nutzen, in einem zeitgemäßen Maße vorhanden gewesen wäre?
Fakt ist, PE ist oft so weit von der Realität entfernt, dass Sie mit dem Status Quo nicht den Hauch einer Chance haben, etwas zu ändern. Wir alle haben uns an unsere komfortablen und zumeist einfach beschreibbaren Silos gewöhnt. Wir haben gelernt, unsere Grenzen zu akzeptieren. Aber gerade darum geht es: diese Grenzen zu hinterfragen, neu zu definieren. Um sie dann mit leistungsfähigeren Kommunikationsschnittstellen ausgestattet wieder zu etablieren.
PE darf sich nicht aus allem heraushalten!
Lassen Sie uns damit anfangen, Personalentwicklung als Bestandteil der bestehenden Planungsprozesse zu sehen und nicht als bloß eine Abteilung im Unternehmen. Damit erhöht sich zunächst der (Erfolgs-) Druck auf Seiten der PE, weil sie unmittelbar an die auf Unternehmenswachstum ausgerichteten Prozesse angekoppelt ist – während wir die Last auf der kommerziellen Seite umverteilen. Denn der übergreifende (Planungs-) Erfolg sollte in einem modernen Unternehmen im Mittelpunkt der Betrachtung stehen.
Da das Humankapital des Unternehmens in den Händen von PE liegt, hat dieser Bereich einen enormen Einfluss auf das Wohl und Wehe eben dieses Erfolgs. Betrachtet man die Sache unter diesem ganzheitlichen Blickpunkt, sieht man, wo die Defizite in den meisten Unternehmen liegen. Da werden hauptsächich Top-Performer gefördert. Da wird ein 360-Grad-Review gemacht sowie hier und da eine Schulung oder Nachschulung genehmigt. Es wird aber nicht der planerische Anschluß von PE an die komerziellen Bereiche etabliert – PE als Bestandteil der Integrierten Unternehmensplanung (oft auch als Sales & Operations Planning bezeichnet).
Wie soll da die Personalentwicklung zu nachhaltig messbarer Leistungsverbesserung und zu einem klar beschreibbaren Anteil am Unternehmenserfolg kommen?
Raus aus dem Elfenbeinturm, hinein in die Unternehmensplanung- und Steuerung, hinein ins 24/7-Geschäft der heutigen Zeit!
Wären Sie wirklich Ihr Geld wert?
Diese Unterstellungen an Sie als Personalentwickler, Ihre PE würde nicht genug leisten, empören Sie? Nun, im Einzelfall mögen Sie Recht haben. Möglicherweise sind gerade Sie, ist Ihr Unternehmen anders, besser, moderner aufgestellt, treffen die obigen Punkte nicht zu. Aber seien Sie versichert: Bei der Mehrheit der bestehenden Unternehmen sieht es noch weit schlimmer aus als hier beschrieben. Also halten Sie sich mit Ihrer Empörung bitte ein wenig zurück.
Wie sieht denn Ihre Unternehmenswirklichkeit aus? Was wäre, wenn die Wertschöpfung Ihres Tuns mit Bezug auf die Unternehmensentwicklung (EBDITA) messbar gemacht würde? Wären Sie Ihr Geld wert? Und: Was liefe in Ihrem Unternehmen besser, wenn meine Forderung konsequent umgesetzt würde? Denn sie ist eigentlich nicht zu weit hergeholt. Im Kern fordere ich nichts weiter als die konsequente Fortschreibung des Gedankens einer übergreifenden Integration aller für das Unternehmen wesentlichen Prozesse und Prozessteile. Und was sind die Prozessteile? Üblicherweise werden sie über die Kombination aus Technologie, Prozess und Mitarbeiter definiert. Tja, und da kommen Sie aus der PE ins Spiel.
Als PE halten Sie den wesentlichsten Bereich in Ihren Händen, den Menschen. Ein jeder Ihrer Mitarbeiter sollte zu jedem Zeitpunkt in Hochform sein – mental und fachlich. Das geht aber nur bei dauerhafter und hochwertiger Betreuung. (Schauen Sie sich einmal an, wie intensiv Formel-Eins-Fahrer, Bundesligafußballer oder generell Leistungssportler betreut werden!) Eine solche Betreuung setzt aber ein hohes Maß an Sachverstand voraus, und über den verfügen Sie leider nicht. – Halt! Nicht aufregen! Bitte holen Sie einmal tief Luft …
Personalentwicklung braucht neuen Sachverstand
Natürlich verstehen Sie die Menschen und höchstwahrscheinlich deren Psyche, denn dafür sind Sie Ihrerseits ausgebildet. Das reicht aber nicht. Sie brauchen Sachverstand mit Bezug auf das, womit Ihr Unternehmen seine Umsätze generiert. Verstand mit Bezug auf die Komplexität der Einzelprozesse und Abläufe.
Wie wollen Sie denen helfen, die in der 14. Arbeitsstunde noch schnell eine Entscheidung per E-Mail über das Smartphone an die Außenstelle im Ausland senden, weil es im sozialen Netzwerk per Twitter zu einem „Shitstorm“ gekommen ist – wenn Sie selbst noch einen Kommunikationsknochen aus dem Jahre 1995 benutzen? (Häufig gehörter Kommentar: „Das reicht mir völlig aus.“)
Sie haben längst den Anschluss an die Wirklichkeit verloren, wenn Sie diesen je hatten. Im günstigsten Fall haben Sie eine vordefinierte PE-Rolle ausgefüllt. Natürlich, SIE haben diese Rolle nicht selbst definiert, und Sie haben und auch die notwendigen Profilvorgaben nicht erstellt. Es geht ja auch nicht darum, Sie hier an den Pranger zu stelle. Es ist nicht Ihr Fehler. Es geht darum, die längst überfälligen und notwendigen Änderungen in unserer Denkweise aufzuzeigen. Wir alle sind aufgerufen, die bestehenden Denkmodelle unserer Unternehmen – unsere eigenen – zu hinterfragen und anzupassen.
Nach welchen Regeln kann Personalentwicklung zum Erfolg beitragen?
Wie kann eine konkrete Hinzunahme von PE aussehen und welche Basisregeln müssen gelten? Hierzu im Folgenden einige Ideen:
- Alles Tun muss dauerhaft und mit Blick auf seine Auswirkungen und seine Qualität überprüft werden.
- Es muss nachhaltige Wertschöpfung entstehen, und diese muss klar definiert sein – keine schwammigen Floskeln!
- Veränderung ist als immanente Konstante in alle Entscheidungen und Prozesse mit einzuplanen.
Welche Bereiche gilt es dafür zu betrachten und was sind die Schlüsselpositionen?
Technologie
Die Technologie wurde etabliert, um Vorgänge aus der realen Welt mit realen Zeitabläufen zu beschleunigen. Ein Brief in der realen Welt braucht einen Tag für die Zustellung, eine E-Mail nur eine Millisekunde. Technologie soll menschliche Fehler verhindern, Informationskonsistenz innerhalb des Unternehmens schaffen, komplexe Prozesse für Menschen bedienbar machen.
In der Schlüsselposition befindet sich hier Ihre IT. Sie besitzt hoffentlich Kompetenz rund um die Instandhaltung, Einrichtung und Betreuung Ihrer Systeme. Darüber hinaus gibt es ein breites Spektrum von Systemanbietern, Herstellern von Softwaresystemen. In allen Fällen besteht deren Aufgabe darin, Abläufe vorzudenken, um diese dann wiederholbar über eine Maschine erledigen zu lassen.
Prozesse
Die zweite wesentliche Gruppe umfasst die Prozesse. Diese wurden erfunden und implementiert, um für gleichbleibende Qualität und Nachhaltigkeit bei allen wichtigen Abläufen zu sorgen. Viele Menschen und die hohe Dynamik der Geschäftswelt machten dies notwendig.
In der Schlüsselposition befinden sich hier häufig spezialisierte Beratungsunternehmen. Diese bringen ihr Wissen ein, indem sie gezielt bestehende Prozesse adaptieren, neue Prozesse einführen sowie für Erklärung und Schulung derselben sorgen. Danach ist es am Unternehmen, für eine nachhaltige Manifestation und ständige Adaption dieser etablierten Details zu sorgen. Schon hier sind erste Elemente von notwendigem PE-Einfluss wahrnehmbar.
Mitarbeiter
Die Mitarbeiter bilden die wichtigste Gruppe. In der Vergangenheit wurde ihre Bedeutung häufig hinter die Technologie gestellt, oder sie wurden zu „Bediensteten“ der Prozesse gemacht. Für die Unternehmen der Zukunft wird der moderne Mitarbeiter zum überlebenswichtigen Bestandteil – nicht als Mittel, nicht als Instrument.
In der Schlüsselposition ist hier die Personalentwicklung (PE). Zu deren Aufgabe gehört die Personalbildung, auch bezeichnet als: die strukturierte Entwicklung und Vermittlung von Handlungskompetenz, welche sich zusammensetzt aus sozialer, fachlicher sowie methodischer Kompetenz. Dies geschieht in der Regel über Ausbildung, Fortbildung und Umschulung. (Eine detaillierte Betrachtung würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Der interessierten Leser sei aber ein weiteres Mal auf das Literaturverzeichnis verwiesen.)
Trotz aller Anstrengungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse begnügt sich PE dennoch auch heute meist mit einer eher administrativen Rolle. Eine Rolle, die weder die für das Unternehmen wesentlichen Prozesse integriert noch messbare Erfolge liefert. Eine Rolle, die letztlich die Verantwortung auf den Mitarbeiter abschiebt. Dieser wird eben über die verordnete Maßnahme besser – oder nicht. Es scheint, als ob PE eher verwaltet und großen Aufwand treibt, um die eigene Existenz zu rechtfertigen.
Die Verantwortung liegt bei den Unternehmen
Die Unternehmen haben zumeist längst erkannt, dass die zukünftige Versorgung mit ausreichend qualifizierten Mitarbeitern nicht gesichert ist. Trotzdem scheint es nicht, als ob dies in der Konsequenz zu einer wesentlichen Veränderung in den vorhandenen Konzepten geführt hat. Noch immer wird mit eher klassischen Mitteln nach Mitarbeitern gesucht. Noch immer wird klassisch aus-, fort- und weitergebildet.
Leider geschieht dies in zumeist völliger Fehleinschätzung der neu entstandenen Gegebenheiten und immer ohne Anschluss an die inneren Prozesse. Solange Mitarbeiter gesucht werden, um sie dann in bestehende Abläufe zu werfen, solange PE nicht bereit ist, sich messbarer Bewertung zu unterziehen: Solange wird am Ende bestenfalls Funktion erhalten. Ob das für die Zukunft ausreicht? Wollen Sie das wirklich abwarten? Oder wollen Sie jetzt ein neues Bewusstsein entwickeln, um Ihr Unternehmen im Wandel überlebensfähig und leistungsfähig zu gestalten?
Der Wandel geschieht jetzt. Er ist digital. Er läuft in Nullzeit ab. Unternehmen brauchen ein digitales Bewusstsein, um den Wandel zu verstehen und intern zu vollziehen. Auch und gerade in der Personalentwicklung. Fangen Sie am besten jetzt an!
Der Autor: Dirk Liebich ist Managing Director und Gründer von Digital Tempus. Digital Tempus betreut mit Standorten in den USA und in Europa weltweit agierende Unternehmen und Konzerne in der Vertriebs- und Operationsplanung.
Kontakt: magazin@digitaltempus.com, www.digitaltempus.de
Literatur
Bröckermann, Reiner: Personalwirtschaft, Verlag Bachem, Köln 1997
Drumm, Hans J.: Personalwirtschaftslehre, Verlag Springer, Berlin etc. 1995
Figge, Herbert/Kern, Michael: Konzeptionen der Personalentwicklung, Verlag Lang, Frankfurt/Main, Bern 1982
Frank, Gernold P.: Personalentwicklung – Organisationsentwicklung: Rolle des Managements, in: Clermont, Alois, Schmeisser, Wilhelm, Krimphove, Dieter (Hrsg.): Personalführung und Organisation; Verlag Vahlen, München 2000
Hentze, Joachim: Personalwirtschaftslehre 1, 6. Auflage, Verlag Haupt, Bern etc. 1994
Olfert, Klaus/Steinbuch, Pitter A.: Personalwirtschaft; 7. Auflage, Verlag Kiehl, Ludwigshafen, 1998
Riekhoff, Hans – Christian (Hrsg.): Strategien der Personalentwicklung, 3.Auflage, Gabler, Wiesbaden 1992
Staehle, Wolfgang H.: Management; 6.Auflage, Verlag Vahlen, München 1991
Strombach, Manfred E.: Personalentwicklung, Vogel, Würzburg 1992
Trebesch, Karsten: Ursprung und Ansätze der Organisationsentwicklung sowie Anmerkungen zur Situation in Europa; in : Koch, U., Meuers, H., Schuck, M. (Hrsg.) :Organisationsentwicklung in Theorie und Praxis, Frankfurt/ Main etc., Verlag Lang 1980