„Supply Chain Agilität“ – oder: Ist Vertriebsplanung jetzt überflüssig?

Agil

Supply Chain Agilität heißt seit einigen Monaten das neue Schlagwort der IT-Lösungsanbieter für Supply Chain Software. Mit der ‚neuen Beweglichkeit‘ sollen alle kurzfristigen Unwägbarkeiten und Schwierigkeiten in der Versorgungskette aufgefangen werden. Eine gute langfristige Planung ist damit scheinbar nicht mehr so essentiell. – Aber stimmt das wirklich?

Neue Beweglichkeit als Allheilmittel?

Aus meiner Sicht ist diese Argumentation etwas zu kurz gegriffen. Die Supply Chain lässt sich immer aus zwei Blickwinkeln betrachten – aus der Sicht der Planung und aus der Sicht der Ausführung/Exekution. Aber: Die Sichtweisen sind nicht „entweder – oder“ sondern „sowohl – als auch“. Was derzeit als Allheilmittel gefeiert wird, kann ergänzend helfen, aber niemals ersetzen. Aus den folgenden Gründen:

Sicherlich ist Agilität entlang der Lieferkette wünschenswert, um auf kurzfristige Änderungen in der Versorgungslage reagieren  zu können. So ist ein Anbieter auch in Zeiten hoher Unsicherheit in der Lage, Kundenbedarfe in der Marktnachfrage zu befriedigen. Am Ende des Tages gilt aber immer noch: Hätte man von vornherein gut geplant, wären kurzfristige Änderungen nicht notwendig gewesen und somit zusätzliche Kosten nicht angefallen.

Dabei sollten wir aber nicht vergessen, dass Planung per definitionem fehlerhaft ist. Absolute Sicherheit gibt es nie. Abweichungen sind von vornherein zu erwarten. Sie stellen also sozusagen die eingeplanten Unwägbarkeiten dar, die vorher nicht genau zu beziffern sind. Daher das obige „sowohl – als auch“: Agilität in der Supply Chain hilft, diese ohnehin zu erwartenden Fehler besser und möglichst kostengünstig zu managen.

Agilität hilft, wo Unwägbarkeiten eingeplant sind

Planung legt fest, welche Umsätze in den nächsten Monaten und Jahren erreicht werden sollen. Daraus resultieren Mengenplanungen und Überlegungen zum optimalen Supply-Chain-Netzwerk-Design (Standorte, Warenflüsse, Transport-Infrastruktur). So soll dann später auch die Agilität in der Lieferkette sichergestellt sein. Auch hier sind also Planung und kurzfristige Reaktionsmöglichkeiten komplementär und nicht konträr.

Wenn wir uns von der kurzfristigen hin zu einer eher mittelfristig oder langfristig orientierten Betrachtung bewegen, wird es noch offensichtlicher, dass sorgfältige Planung unverzichtbar ist. Dass dennoch Unwägbarkeiten als Teil des Prozesses verstanden werden gehört dazu.

Kaufen Sie keine Schlagworte – planen Sie gut!

Zusammenfassend empfinde ich den Widerspruch als künstlich und vertriebsorientiert. Er entspricht sicherlich nicht der Logik effizienter Unternehmenssteuerung. Es scheint so, als würde hier oft als Insellösung verkauft, was in Wirklichkeit einfach ein natürlicher Bestandteil des Ganzen ist. Beide Ansätze – langfristige Planung und kurzfristige Agilität – werden auch in Zukunft Hand in Hand gehen müssen, um Ihr Unternehmen erfolgreich zu steuern. Dabei sollten Sie gut planen, um möglichst wenig nachsteuern zu müssen. In den Fällen, in denen das Nachsteuern unvermeidbar ist, wird Ihnen Ihre agile Lieferkette helfen, dies möglichst effizient und kostengünstig zu tun.

Der Autor: Dirk Liebich ist Managing Director und Gründer von Digital Tempus. Digital Tempus betreut mit Standorten in den USA und in Europa weltweit agierende Unternehmen und Konzerne in der Vertriebs- und Operationsplanung.

Kontakt: magazin@digitaltempus.comwww.digitaltempus.de

Follow

Get every new post delivered to your Inbox

Join other followers: