Social Media Monitoring „EIN“! Und nun?

Notaufnahme

Aktuell entscheiden sich viele Unternehmen, den sozialen Medien (Social Media) und speziell dem Social-Media-Monitoring endlich mehr Aufmerksamkeit einzuräumen. Da in der Marketingabteilung üblicherweise bereits erste Erfahrungen in diesem Bereich vorliegen, liegt es nahe, die neue Aufgabenstellung ebenfalls hier zu platzieren. Doch soziale und neue Medien sind ein Thema, mit dem sich der ganze Führungsstab umfänglich befassen sollte. Warum das so wichtig ist und wie daraus Wertschöpfung entstehen kann, lesen Sie in diesem Beitrag.

Das Internet ist voll von Artikeln über Social Media, über Social-Media-Monitoring sowie über deren Anbieter und Angebote. Auch finden sich ausführliche begründete generelle Annahmen, wie sich die erhobenen Daten sinnvoll nutzen lassen. Tatsächlich existieren derzeit mehr als 800 Monitoring-Lösungen weltweit, von denen sich die weitaus meisten jedoch nicht allzu wesentlich voneinander unterscheiden. Die Schwierigkeit dürfte für den einzelnen Entscheider deswegen schon darin bestehen, die Zeit für die Auswahl der Angebote zu finden: Wie lassen sie sich voneinander differenzieren? Wie kann man sie mit den eigenen Notwendigkeiten, Prozessen und Wünschen übereinander legen?

Was könnte dem Entscheider in seinem Findungsprozess helfen? Beispielsweise Informationen darüber, wofür diese Mittel in der Vergangenheit eingesetzt wurden und welches Potential sich aus einer erweiterten Nutzung ergeben könnte. Treten wir also zunächst einen Schritt zurück …

Worum geht es beim Social-Media-Monitoring?

Für den Start möchte ich Ihnen eine sehr gelungene und plakative Infografik der Firma #MediaZo zeigen. Diese finden Sie unter dem folgendem Link (neben weiteren, hilfreichen Informationen). Der besseren Lesbarkeit wegen behandle ich die Gesamtgrafik in einzelnen Teilen:

SocialMediaMeasurement

Im Kern geht es beim Social Media Monitoring zumeist um die Gewinnung der folgenden Informationen:

  1. Wahrnehmung Ihrer Marke oder Ihres Produktes durch den über das soziale Netzwerk verstärkten Verbraucher, im Verhältnis zur Wahrnehmung der Konkurrenzprodukte. Wie hoch ist Ihr Anteil und, nicht minder wichtig, wie werden Sie gesehen – positiv oder negativ?
  2. Grad der Aktivität, der um Ihre Marke oder Ihr Produkt entsteht. (Wir alle kennen die aus einem positiven Hype entstehenden Nachfragespitzen.)
  3. Einfluss Ihrer Marke oder Ihres Produktes auf den Markt, die Endverbraucher. Hierbei muss dringend auf die Qualität desselben geachtet werden. Mit positivem Einfluss ausgestattet, lassen sich Marktpositionen gezielt stärken, indem beispielsweise der Hype aus einem Bestandsmarkt für den Start in einem neuen Markt benutzt wird.

Was aber sind die inhaltlichen Bereiche, die es zu betrachten gilt?

Auch hier gibt die Infografik einige gute Hinweise. Betrachten wir zunächst den Bereich der Profilierung (Consumer Profiling) und das in diesem Zusammenhang nicht unwichtige Online Reputation Management (ORM). Im Kern geht es darum, den potentiellen Verbraucher besser zu verstehen, indem man charakterisierende Informationen erhebt, und sein Verhalten damit einordbar und planbar zu machen.

SocialMediaMeasurementMetric1

Je klarer eine Zielgruppe darstellbar ist, desto präziser und zugleich machtvoller kann eine Ansprache erfolgen. Allerdings sollte letztere nicht mehr in Form von Werbung, sondern vielmehr in Form von Informationen geschehen, die für die Zielgruppe interessant sind. Das bedeutet: die Zielgruppe wird nicht mehr „beworben“, sondern über relevante Inhalte im eigenen Fragekontext abgeholt.

Darüber hinaus ist es ebenfalls von hoher Bedeutung, die Reputation der eigenen Marke oder des Produktes zu verstehen, und zwar aus der Sicht des potentiellen Kunden.

SocialMediaMeasurementMetric3

Wie und worüber kann eine genaue Profilierung erfolgen?

Stellen Sie sich vor, ein System liest alle relevanten Quellen (Facebook, Twitter, Google, Foren, Blogs …). Es extrahiert aus den gefundenen Texten die wesentlichen Inhalte. Es stellt diese für die weitere Analyse zur Verfügung.

SocialMediaMeasurementMetric2

Klingt kompliziert, sagen Sie? Ist es auch, aber es funktioniert genau so.

Dieser Teilbereich wird als Sentiment-Analyse bezeichnet. Diese setzt sich im Wesentlichen mit der Extraktion von Informationen aus natürlicher Sprache auseinander. Hierbei gilt es die Tatsache zu berücksichtigen, dass es viele Sprachen mit noch mehr kulturellen Feinheiten und nicht zuletzt viel Umgangssprachliches gibt.

Der etwas einfachere Teil der Analyse besteht aus der Erhebung von Schlüsselinformationen: Anzahl von Tweets (Kurznachrichten bei Twitter), Retweets (die Wiederbenutzung/Weiterverbreitung eines Tweets durch einen anderen Benutzer, der die Nachricht damit zu einem relevanten Inhalt erklärt und einen Multiplikationseffekt auslöst), Kommentare, Aktionen (etwa das Klicken auf einen Link), die sich direkt aus der Wahrnehmung der Nachricht ableiten, und vieles mehr. In allen diesen Fällen besteht zunächst ein relativer Bezug zwischen potentiellem Kunden und der Marke oder dem Produkt.

In vielen Marketingabteilungen werden solche Mittel bereits seit Jahren angewandt, um die Auswirkungen von Werbung auf den Verbraucher besser zu verstehen, also die Wirksamkeit von Kampagnen genauer einzuschätzen. Doch nach wie vor werden die Ergebnisse nur in seltenen Fällen in die bestehenden kommerziellen Prozesse (Sales and Operations Planning – S&OP) eingespeist – und wenn, dann zumeist unzureichend.

Wie macht man diese Daten für Geschäftsprozesse nutzbar?

Die Integration der gewonnenen Daten über Verbraucherverhalten und Nachfrage nicht nur für das Marketing kann zum Beispiel der Absatzplanung (Demand Planning) von großem Nutzen sein. So führt etwa eine über soziale Netzwerke ausgelöste Negativkampagne (umgangssprachlich auch „Shitstorm“ genannt) zu einem hohen Maß an Dynamik in der Planung. Bisher treue, berechenbare Käufer verzichten plötzlich darauf, ein Produkt zu kaufen oder suchen sich Alternativmarken aus. Gleiches gilt für einen „Hype“, der plötzlich die Nachfrage erhöht. Ausgehend von einer gewissen Zeitspanne (Lead Time) zwischen der internen Beauftragung von Produkten im Unternehmen (Absatzplanzahl in Richtung Fertigung) und der Herstellung (Fertigung oder Supply), wäre unter Umständen genug Zeit, um auf die neuen Signale aus dem Bereich der sozialen Netzwerke geeignet zu reagieren. Die interne Nachfrage an die Herstellung könnte entsprechend erhöht oder eben auch gesenkt werden, was in beiden Fällen vorteilhaft wäre.

Um aber nun die oben genannten Informationen wirklich in den kommerziellen Prozess einfließen lassen zu können, benötigt es mehr als den bloßen Wunsch. Es braucht Sponsoren auf der Entscheider-Ebene. Nur sie können bewirken, dass Informationen und Daten aus den neuen Medien in einer Weise Bestandteil der kommerziellen Prozesse werden, wie dies dringend erforderlich ist.

Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration:

  1. Der  gesamte Führungsbereich hat ein umfängliches Verständnis von Social Media und von den Informationen und Möglichkeiten, die über diese Kanäle zur Verfügung stehen.
  2. Die bestehenden kommerziellen Prozesse (z. B. Sales and Operations Planning – S&OP) sind ausreichend und klar etabliert.
  3. Es muss eine Arbeitsgruppe und Pilotprojekt gestartet werden. Ihre Aufgabenstellung: ein Konzept für die wertschöpfenden Anreicherung der bestehenden Planungsprozesse über Daten aus sozialen und neuen Medien zu etablieren. Hierzu sind die einzelnen Plattformen und deren Anbieter differenziert zu betrachten und hinsichtlich der Nutzung einzuordnen.
  4. Die Ergebnisse der nun erweiterten Prozesse sind über einen geeigneten Zeitraum (mindestens 6-9 Monate) auf eine Verbesserung der Qualität zu überprüfen – Performance Monitoring.
  5. Letztlich muss auch hier klar sein: Ein perfektes System gibt es genauso wenig wie Abkürzungen.

Fazit: Der digitale Wandel ist da – aber SIE müssen handeln!

Die Reaktion auf diesen Beitrag wird bei vielen Lesern wahrscheinlich etwa so ausfallen: „Das klingt alles prima! Wir müssen aber zunächst mal unsere anderen Baustellen abschließen. Es gibt im Moment keine freie Kapazität.“ – Ist das Ihre Antwort? Dann sollten Sie im Interesse Ihres Unternehmens dringend über ein erneuerte Priorisierung aller anstehenden Aufgaben nachdenken. Wenn beispielsweise gerade die Implementierung eines Planungssystems über die kommenden drei Jahre alle Kräfte in Atem hält: Wollen Sie dann irgendwann nur feststellen, dass wesentliche Informationen in selbiges nicht einfließen werden und Sie weiterhin im Blindflug unterwegs sind?

Der digitale Wandel ist da! Für die Unternehmen und deren Führungsstäbe gilt es daher, klar und bestimmt zu handeln. Viel Erfolg!

Im Folgeartikel werde ich aufzeigen, wie Social-Media-Daten gezielt innerhalb der Absatzplanung eingesetzt werden können und was es zu beachten gilt.

Der Autor: Dirk Liebich ist Managing Director und Gründer von Digital Tempus. Digital Tempus betreut mit Standorten in den USA und in Europa weltweit agierende Unternehmen und Konzerne in der Vertriebs- und Operationsplanung.

Kontakt: magazin@digitaltempus.comwww.digitaltempus.de

  1. Dirk Liebich09-13-2013

    Hallo Urs,

    Danke für Deinen Kommentar und die Anmerkungen. Ich stimme zu, ein Social Media Audit ist in sicher fast allen Fällen dringend zu empfehlen. Leider aber scheint die Grundsensibilität in den meisten Firmen immer noch nicht hoch genug zu sein. Ich werde diese und ähnliche Themen jedenfalls weiterhin be-bloggen, vielleicht kann ich ja etwas ändern.

    Viele Grüße,
    Dirk

  2. Urs E. Gattiker - CyTRAP BlogRank09-13-2013

    Danke für diesen Beitrag
    Leider trifft es nicht immer zu, dass die Führungsregie Social Media auch gut versteht oder, noch besser, diese Möglichkeit auch selber nutzt.

    Trotzdem gibt es einige Führungskräfte welche bloggen oder aber Twitter nutzen. In einem solchen Falle wird die Umsetzung des obigen Ansatzes und ein effektives Social Media Monitoring vielleicht sogar Realität.

    Aber eben, es ist nicht einfach. Nichtdestotrotz ist ein Social Media Audit ein gutes Instrument um neben der Ist-Aufnahme auch die Ziele für die nächste Periode zu setzen und ob diese erreicht wurden dann zu messen.
    Freundlichst
    Urs
    @CyTRAP

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