Dynaxity – der wirkliche Grund hinter Burn-Out?

Dynaxity

Burn-Out: Darüber und über die Folgen für den Menschen und die Unternehmen wird derzeit sehr viel gesprochen. Doch meistens ist dabei jeweils die Rede vom Einzelnen, der sich selbst überlastet oder dem Druck nicht standhält. Angenommen aber, die massenhafte Erschöpfung wäre gar kein gehäuftes Einzelereignis, sondern vielmehr das Ergebnis einer latenten Unternehmensüberlastung? Der Fehler liegt also womöglich im System. Dann könnte sich der Einzelne gar nicht entziehen! Die Wortschöpfung „Dynaxity“ beschreibt das Phänomen und liefert womöglich auch Lösungsansätze. Das eröffnet neue Perspektiven für den Umgang mit dem Burn-Out und dessen Ursachen!

Was bedeutet ‚Dynaxity‘?

„Dynaxity“ ist eine Wort-Neuschöpfung, ein Akronym aus den angloamerikanischen Begriffen „Dynamic“ (Dynamik) und „Complexity“ (Komplexität). Beide Mechanismen fordern heutigen Unternehmen oft enorme Leistungen ab: Märkte, Zusammenhänge, Abläufe werden immer komplexer. Zugleich sinken die Reaktionszeiten und ist immer schnelleres Handeln gefordert. Beides zusammen bringt das System und damit auch den Einzelnen oft an die Grenzen der Belastbarkeit.

Ohne Frage ist unser aller Leben dynamischer denn je. Der zunehmende Arbeitstakt wird der mehr und mehr auch zur Leitfrequenz in unserem Privatleben. Eine immer schnellere, zugleich inhaltlich überladene Kommunikation erhöht die Tageslast für unser Bewusstsein enorm. Aber es ist eben nicht nur diese enorme Dynamik, die uns zu schaffen macht. Es ist die Kombination aus dieser Dynamik und einer ebenfalls massiv gestiegenen Komplexität. Letztere ist das Ergebnis eines ständigen Drangs, kostensensitiver, globaler, multi-dimensionaler zu sein, als es der Mensch von Natur sein sollte und vermutlich sein kann. Dadurch verlernen wir, auf natürliche Weise mit den Realitäten des Alltags umzugehen. Die nicht weniger konsequente Folge ist der Burn-Out, der Bruch nach zu lange anhaltender Dauerbelastung.

Doch der Fehler liegt nicht im Einzelnen, denn dieser kann sich der herrschenden Dynaxity gar nicht entziehen. Ist das Phänomen Burn-Out wirklich ein Einzelereignis? Oder ist es nicht vielmehr die sich langsam manifestierende Unfähigkeit der Unternehmen, mit den bestehenden Marktdynamiken umzugehen? Was, wenn daher das Große und Ganze langsam aber sicher auf den Stillstand zusteuert? Wenn die virtuose, rhythmische Bewegung, die der menschlichen Natur entspricht, einfach nicht mehr aufrechtzuerhalten ist?

Das dauerhaft kollektiv unbewusste Notstandsprogramm

Fakt ist: In kaum einem Unternehmen der heutigen Zeit finden Sie nicht die dauergestressten, 24×7 durch Smartphone, E-Mail und Konferenzen überforderten Führungskräfte und Mitarbeiter. Häufig ist die Anforderung an die Gesamtorganisation so hoch, dass selbst Hilfe von außen (etwa über Berater) nur noch in seltenen Fällen angenommen und umgesetzt werden kann. Es herrscht ein dauerhaft und kollektiv unbewusst etabliertes Notstandsprogramm, an dem sich über die Zeit zwangsläufig mehr und mehr Menschen im Unternehmen beteiligen.

Die Dynaxity als sozusagen externes Ereignis führt zu einer teils extremen Gruppendynamik, die wiederum ab einem gewissen Grad das Eigenleben des Ganzen diktiert. Denn ein Unternehmen ist mehr als die Summe seiner einzelnen Teile. 

Wie helfen diese Erkenntnisse aus dem Burn-Out?

Nun, um es vorweg zu sagen, ein Patentrezept kann ich leider nicht bieten. Aber ich habe einige grundsätzliche Muster identifiziert. An diesen können – und müssen! – wir ansetzen, wenn wir nicht über kurz oder lang im Gesamt-Burn-Out landen wollen.

  1. Wir leben in einer globalisierten Welt. Märkte haben sich geöffnet, Prioritäten verändert. Kulturen und Sprachen die gestern noch niemanden interessierten, müssen nun aktiv bedient werden. Das fordert mehr Einsatz bei gleichbleibenden Kapazitäten.
  2. Unternehmen ticken zwangsläufig immer schneller. Doch dies wird den Mitarbeitern weder erklärt, noch werden sie darauf vorbereitet.
  3. Die IT, deren Zweck ja eigentlich der Zeitgewinn und die Skalierung von Abläufen sein soll, ist auf dem Stand von vor 20 Jahre stehen geblieben. Noch komplizierter wird es, weil sie vielfach in aufstrebende Off-Shore-Länder outgesourced worden ist.
  4. Unternehmenskonsolidierungen haben dazu geführt, dass aus vielen Länderorganisationen große Multinationals geworden sind. Leider bringen diese Art Zusammenschlüsse eine Vielzahl von Ineffizienzen mit sich, die dann in der Konsequenz den Druck auf den einzelnen Mitarbeiter weiter erhöhen.

Alle diese Beobachtungen weisen darauf hin, dass vielfach die kritische Masse längst erreicht ist: jene Größe, ab der ein sinnvolles Funktionieren, die pro-aktive und bewusste Bewegung, nicht mehr möglich ist. Alle Versuche innerhalb von Unternehmen, die Ursachen für diese Bewegungsverlangsamung zu finden, enden zumeist in mehr oder weniger aussagelosen Präsentationen. Deren Inhalte sind aber leider zu oft zu seicht oder zu komplex, um in gezielte und kontrollierbare Gegenmaßnahmen überführt werden zu können. Und so bleibt eben alles wie es ist, nein es wird kontinuierlich langsamer.

Der einzige Ausweg?

Der einzige Ausweg scheint zu sein: Wir sollten alle einmal stehen bleiben und uns umschauen. Das gilt auch für die Menschen in Unternehmen, und es muss von der Unternehmensleitung ausgehen: Orientieren, Muster betrachten und auflösen. neu justieren …

Ja, dafür braucht man Zeit und Geld, das ist klar. Wahrscheinlich wird das auch kein Unternehmen ohne externe Unterstützung bewältigen können. Doch wenn der Wille und die Einsicht da sind, kann diese externe Unterstützung endlich auch angenommen und umgesetzt werden, statt nur Budgets zu verschlingen. Schnelles Handeln ist gefragt –  denn was ist die Alternative? Ohne Mitarbeiter kann kein Unternehmen sein!

…..

Der Autor: Dirk Liebich ist Managing Director und Gründer von Digital Tempus. Digital Tempus betreut mit Standorten in den USA und in Europa weltweit agierende Unternehmen und Konzerne in der Vertriebs- und Operationsplanung.

Kontakt: magazin@digitaltempus.comwww.digitaltempus.de

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